Schwankende Qualitäten – warum?
Kühe produzieren nicht immer gleichbleibend optimale Biestmilch. So variabel ein biologisches System und auch der Stoffwechsel bei den Kühen ist, so unterschiedlich kann demnach auch die Produktion des Kolostrums und speziell der Antikörper sein. Achtet auf eine angemessene Trockenstehdauer; Erstkalbinnen sollten für mindestens 7 Wochen, ältere Kühe für mindestens 35 Tage eine „Auszeit” geniessen können. Auch haben Mutterschutzimpfbetriebe generell höhere Antikörpergehalte, aber vor allen Dingen spielen die Fütterung und der Stresslevel bei den Close-up Kühen eine sehr große Rolle. Speziell die letzten 14 Tage vor dem Kalben sind alles entscheidend. Hier muss die Energieversorgung genauso wie die Eiweissversorgung (mind. 15 %) gewährleistet sein. Kühe müssen permanent ungehinderten Zugang zum Futter und vor allen Dingen Wasser haben: Pro Kuh sollten mindestens 85 cm Fressplatzbreite zur Verfügung stehen und ein ungehinderter Zugang zu einer Tränke bestehen. Man rechnet pro Kuh bei Trogtränken mindestens 10 cm laufender Meter Länge als Bedarf und bei anderen Tränken maximal 15 Tiere pro einer Wasserstelle, wobei der Zugang immer problemlos möglich sein muss.
Gegenmaßnahmen zu Hitzestress sind bei diesen Kühen noch wichtiger als bei den Laktierenden! Aber gerade dieser Punkt findet in der Praxis noch zu wenig Bedeutung: Diese Kühe sind die stressanfälligsten, und der Hitzestress wirkt sich gleich mehrfach negativ aus; auf die tragende Kuh, auf das ungeborene Kalb und – im Falle eines Mutterkalbes – dort auf sämtliche Laktationen in den Folgejahren aus.
Während Hitzestress im Sommer für die Biestmilchqualitäten eine grosse Herausforderung darstellt, scheint aber auch die Photoperiode, also die Tageslichtdauer, eine wichtige Rolle zu spielen. In neueren Studien zeigte sich, dass im Winter um die Tag-/Nachtwende die schlechtesten Qualitäten ermittelt wurden. Vielleicht achtet ihr auch mal da drauf.
Einfluss des Handlings
Biestmilch sollte so schnell wie möglich ermolken werden, vorher muss aber das Euter sehr gut gesäubert und desinfiziert werden. Aber genau dieser Punkt wurde lange Zeit sehr stark unterschätzt! Keime kann man nicht sehen, aber man weiss, dass sich ihre Anzahl alle 20 Minuten verdoppelt. Und so kann im ungünstigsten Fall das Kolostrum bereits nach einer Stunde nicht mehr zur Vertränkung empfohlen werden, weil die Keimgehalte die Grenze von 10.000 coliformen Keimen pro ml Milch bzw. die Gesamtkeimzahl von mehr als 100.000/ml deutlich überschritten wurde. Verfüttere ich nun so eine Milch, ist das – salopp gesagt – ein Tierversuch mit ungewissem Ausgang, weil die Keime massenhaft noch vor den Antikörpern in die Blutbahn gelangen.
Biestmilch – das weiße Gold!
Wir beurteilen Kühe an ihrer Milchleistung, aber wir vergessen leider allzuoft, dass gerade die Biestmilch als wahrscheinlich wichtigste Einzelmaßnahme den wahren Grundstein dafür schon am ersten Lebenstag der späteren Kuh legt.
Bei unseren Kindern ist uns das bewusst: Eine gute schulische Ausbildung legt die Basis für ein zufriedenes späteres Leben. Und da tun wir in der Regel alles dafür.
Warum nicht auch für unsere Kälber? Wo liegt hier der Unterschied? – Wenn wir ehrlich sind, es gibt keinen… Alle Ausgaben und Aufwendungen zahlen sich später mehrfach aus! In diesem Sinne, glaubt mir: Kolostrum ist King!
Ich freue mich auf eure Meinungen und Erfahrungen dazu.
Euer Peter Zieger
# Peter Zieger – wir kennen einander nunmehr seit 25 Jahren – ich schätze Deine Expertise auf vielen Gebieten der Rinderhaltung ausserordentlich.
„Rinderhaltung Quo Vadis“ war der Titel Deines ersten Vortrages,den Du im Rahmen der Weyertagung gehalten hast.
Vieles von dem was heute anerkanntes Wissen ist, hast Du damals schon vorgezeichnet.
Ich gratuliere Dir zu Deinem innovativen Projekt Kälberblogger.de.
Es wird vielen unserer Lieblingstiere,Kälbern & Kühen,helfen, ein gesundes Leben zu führen.
Kollegiale Grüße
VR Dr. Rudolf Grogger
Eine sehr informative Plattform!
Es ist immer wieder schön sich über neuste Erkenntnisse zu informieren und auch die alten Wichtigen ,die in Vergessenheit geraten sind , wieder ins Bewusstsein zu rufen.
Mich interessiert ob diese Aussage „Auch haben Mutterschutzimpfbetriebe generell höhere Antikörpergehalte“ nur auf den Erreger des Impfstoffes begrenzt ist ?
Grüße vom Niederrhein
Ralf
Hallo Ralf,
vielen Dank! Ja, die Muttertierimpfung bietet tatsächlich nur einen sehr eng begrenzten, aber effektiven Schutz gegen die in der Vakzine enthaltenen Antigene, sprich Rota/Coronaviren und E.coli. Klasse wäre natürlich wenn es einen Kryptosporidienimpfstoff gäbe, aber das ist momentan noch Wunschdenken. Gruss
Peter
Moin moin,
Meine Frage richtet sich an die Kolostrumgewinnung.
Was sollte man vor dem ersten Melken beachten?
Welche praktischen Maßnahmen empfehlen Sie, um den Keimgehalt in dem Kolostrum möglichst gering zu halten?
Mit freundlichen Grüßen aus Oldenburg!
Moin Jannis,
Sauberkeit ist Trumpf! Das heisst mit Handschuhen und erst nach gründlicher Desinfektion Biestmilch in ein sauberes, am besten desinfiziertes Gefäss melken bzw. überführen. Gerade dieser oft dafür benutzte Melkeimer (Melkkanne) ist in vielen Untersuchungen die „Keimschleuder“ schlechthin, da sie täglich gebraucht wird, aber oft nicht mit der notwendigen Gründlichkeit hinsichtlich Hygiene bedacht wird. So bauen sich sehr schnell hohe und bedenkliche Keimkonzentrationen auf. Dies gilt es von vorneherein zu vermeiden.
Von hier aus dann entsprechend die erste Biestmilchgabe vertränken, den Rest im Kühlschrank und in einem Gefäss mit Deckel bzw. Flasche aufbewahren zur 2ten Mahlzeit. Alles, was dann hier nicht gebraucht wird am besten in diesen Aluminium-Kolostrumbeuteln (ColostroBAG z.B.) einfrieren für die spätere Verwendung.
Beantwortet das Ihre Frage? Beste Grüsse nach Oldenburg, Ihr Peter Zieger
Ich würde aus praktischem Erleben noch ergänzen, dass das Reinigen der Gerätschaften NOCHMALS unmittelbar VOR der Benutzung erfolgen sollte.
Die Reinigung nach der Benutzung ist richtig und wichtig. Stehen dann Melkgeschirr und Eimer, etc. mehrere Tage unbenutzt, siedeln sich Keime an den Oberflächen an. Die Gefahr besteht darin, dass die Gerätschaften zwar äußerlich sauber sind, aber bei der Benutzung einen hohen Keimeintrag in das Kolostrum bringen, der dann direkt in die Kälber transferiert wird. J. Plesse