Kolostrum ist King: Der gute Start

Die Biestmilch von Kühen ist eines der größten Mysterien überhaupt. Schon seit der Domestizierung des Wildrindes vor etwa 10.000 Jahren ist die fundamentale Bedeutung für das Überleben des Kalbes bekannt. Heute ist sicher, über die Biestmilch kann der Stoffwechsel eines Kalbes lebenslang auf mehr Effizienz programmiert werden. Vier statt zwei Liter Erstkolostrum führen laut Studien zu 500-1.000 Litern mehr Milchleistung in der ersten Laktation. Kälberhalter fragen immer wieder: „Wann wirkt Biestmilch am besten? Welche Rolle spielt die Qualität? Wie kann die Qualität stabilisiert werden? Was muss bei der Fütterung und dem Stresslevel der Close-up Kühe beachtet werden? Warum ist Euterhygiene so wichtig?“ Antworten und vieles mehr gibt’s hier….

Die Biestmilch von Kühen ist eines der größten Mysterien überhaupt. Schon seit der Domestizierung des Wildrindes vor etwa 10.000 Jahren ist die fundamentale Bedeutung für das Überleben des Kalbes bekannt. Heute ist sicher, über die Biestmilch kann der Stoffwechsel eines Kalbes lebenslang auf mehr Effizienz programmiert werden. Vier statt zwei Liter Erstkolostrum führen laut Studien zu 500-1.000 Litern mehr Milchleistung in der ersten Laktation. Kälberhalter fragen immer wieder: „Wann wirkt Biestmilch am besten? Welche Rolle spielt die Qualität? Wie kann die Qualität stabilisiert werden? Was muss bei der Fütterung und dem Stresslevel der Close-up Kühe beachtet werden? Warum ist Euterhygiene so wichtig?“ Antworten und vieles mehr gibt’s hier….

Gepostet von in Biestmilch, Kälberaufzucht, Kolostrum am 21. Juni 2020
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Kolostrum ist King: 
Der Gute Start

Die Biestmilch von Kühen ist eines der größten Mysterien überhaupt. Zwar erkannte man schon seit der Domestizierung des Wildrindes vor  etwa 10.000 Jahren dessen fundamentale Bedeutung zum Überleben des Kalbes. Und dennoch müssen wir heute zugeben, dass von den sage und schreibe mehr als 100.000 bislang bekannten „Mikronährstoffen” im Kolostrum nicht einmal ein Viertel wissenschaftlich gut erforscht ist. Das ist ernüchternd, weil es uns zeigt, dass drei Viertel der Bedeutung der Biestmilch noch überhaupt nicht bekannt sind! Wir wissen zwar bislang recht gut Bescheid über den „Lebensversicherungs-Aspekt” der kolostralen Antikörper, aber das macht schätzungsweise gerade mal 10% des Potentials des Kolostrums aus!

Das heisst umgekehrt, dass 90% der Wirkungen der Biestmilch-Inhaltsstoffe mehr Fragezeichen als Antworten bereithalten, aber von der Natur ganz sicher nicht umsonst da reingepackt wurden. Vor etwa 15 Jahren wurde so auch erstmals gezeigt, dass man über die Biestmilch den Stoffwechsel eines Kalbes für ein Leben lang auf mehr Effizienz „programmieren” kann: 4 statt 2 Liter Erstkolostrum führten in etlichen Studien später in der ersten Laktation zu 500 bis 1.000 kg mehr Leistung.

Schnelligkeit siegt
Diese bahnbrechende Erkenntnis hat die Bedeutung von Biestmilch und ihren vielen Inhaltsstoffen weltweit wieder mehr in den Mittelpunkt der Wissenschaft gerückt. Selten sind Wissenschaftler sich bei einem Thema so einig: Gute Biestmilch muss – sauber gewonnen – in einer Menge von bis zu 4 Litern so schnell wie möglich nach der Geburt dem Kalb verabreicht werden. Alle Abweichungen davon sind ein Kompromiss zum maximalen Benefit: So verringern sich bereits nach 6 Stunden die Antikörpergehalte um etwa 20 % und gleichzeitig reduziert sich die Absorption an der Darmwand ebenfalls um ein Viertel. Und noch etwas: Die Rezeptoren können nur einmal besetzt werden, und sie unterscheiden leider nicht zwischen krankmachenden Bakterien oder schützenden Antikörpern. Das bedeutet, man gibt Bakterien einen eventuell fatalen Vorsprung, zögert man die Biestmilchgabe unnötig lange hinaus…

Genau diese beiden Kriterien „gutes Kolostrum” und „so schnell wie möglich verabreichen“ sind die ständigen Herausforderungen für unsere heimischen Landwirte und der Hauptgrund dafür, dass die Krankheitsinzidenzen für Durchfall und Lungenentzündungen immer noch unakzeptabel zu hoch sind.

Das volle Potential erschliessen
Umgekehrt aber zeigen immer mehr Betriebe, dass sie bei optimalem Biestmilchmanagement zum Beispiel komplett auf Kryptosporidien-Vorbeuge und -behandlung verzichten können und antibiotische Behandlungen bis zum Absetzen die absolute Ausnahme sind. Das zeigt einmal mehr: Biestmilch ist DER Schlüssel schlechthin, um das volle Potential in der Kälberaufzucht zu erschliessen. Die absolut erfolgreichen Betriebe messen die Qualität der Biestmilch (meist mit einem BRIX Refraktometer, mindestens 22%!) und wollen aber auch wissen, wieviel davon im Blut des Kalbes tatsächlich angekommen ist. Dazu nimmt der Tierarzt eine Blutprobe zwischen Lebenstag 2 und 10 und der Wert sollte mindestens 8,4% betragen.

Diese Sollwerte markieren die Mindestanforderungen, es gilt hier eindeutig: je höher desto besser. Fangt an zu messen, schreibt die Werte auf und macht euch ein Bild davon, wie gut EUER! Biestmilchmanagement ist. Ihr werdet erstaunt sein, wie stark die Werte zum Teil schwanken können. Das war manchen bis dahin nicht bewusst, weil es ja auch nicht gemessen wurde, erklärt aber, warum Kälber im weiteren Verlauf krank wurden oder später als Kuh nicht die erhoffte Leistung erbracht haben.

Schwankende Qualitäten – warum?
Kühe produzieren nicht immer gleichbleibend optimale Biestmilch. So variabel ein biologisches System und auch der Stoffwechsel bei den Kühen ist, so unterschiedlich kann demnach auch die Produktion des Kolostrums und speziell der Antikörper sein. Achtet auf eine angemessene Trockenstehdauer; Erstkalbinnen sollten für mindestens 7 Wochen, ältere Kühe für mindestens 35 Tage eine „Auszeit” geniessen können. Auch haben Mutterschutzimpfbetriebe generell höhere Antikörpergehalte, aber vor allen Dingen spielen die Fütterung und der Stresslevel bei den Close-up Kühen eine sehr große Rolle. Speziell die letzten 14 Tage vor dem Kalben sind alles entscheidend. Hier muss die Energieversorgung genauso wie die Eiweissversorgung (mind. 15 %) gewährleistet sein. Kühe müssen permanent ungehinderten Zugang zum Futter und vor allen Dingen Wasser haben: Pro Kuh sollten mindestens 85 cm Fressplatzbreite zur Verfügung stehen und ein ungehinderter Zugang zu einer Tränke bestehen. Man rechnet pro Kuh bei Trogtränken mindestens 10 cm laufender Meter Länge als Bedarf und bei anderen Tränken maximal 15 Tiere pro einer Wasserstelle, wobei der Zugang immer problemlos möglich sein muss.

Gegenmaßnahmen zu Hitzestress sind bei diesen Kühen noch wichtiger als bei den Laktierenden! Aber gerade dieser Punkt findet in der Praxis noch zu wenig Bedeutung: Diese Kühe sind die stressanfälligsten, und der Hitzestress wirkt sich gleich mehrfach negativ aus; auf die tragende Kuh, auf das ungeborene Kalb und – im Falle eines Mutterkalbes – dort auf sämtliche Laktationen in den Folgejahren aus.

Während Hitzestress im Sommer für die Biestmilchqualitäten eine grosse Herausforderung darstellt, scheint aber auch die Photoperiode, also die Tageslichtdauer, eine wichtige Rolle zu spielen. In neueren Studien zeigte sich, dass im Winter um die Tag-/Nachtwende die schlechtesten Qualitäten ermittelt wurden. Vielleicht achtet ihr auch mal da drauf.

Einfluss des Handlings
Biestmilch sollte so schnell wie möglich ermolken werden, vorher muss aber das Euter sehr gut gesäubert und desinfiziert werden. Aber genau dieser Punkt wurde lange Zeit sehr stark unterschätzt! Keime kann man nicht sehen, aber man weiss, dass sich ihre Anzahl alle 20 Minuten verdoppelt. Und so kann im ungünstigsten Fall das Kolostrum bereits nach einer Stunde nicht mehr zur Vertränkung empfohlen werden, weil die Keimgehalte die Grenze von 10.000 coliformen Keimen pro ml Milch bzw. die Gesamtkeimzahl von mehr als 100.000/ml deutlich überschritten wurde. Verfüttere ich nun so eine Milch, ist das – salopp gesagt – ein Tierversuch mit ungewissem Ausgang, weil die Keime massenhaft noch vor den Antikörpern in die Blutbahn gelangen.

Biestmilch – das weiße Gold!
Wir beurteilen Kühe an ihrer Milchleistung, aber wir vergessen leider allzuoft, dass gerade die Biestmilch als wahrscheinlich wichtigste Einzelmaßnahme den wahren Grundstein dafür schon am ersten Lebenstag der späteren Kuh legt.

Bei unseren Kindern ist uns das bewusst: Eine gute schulische Ausbildung legt die Basis für ein zufriedenes späteres Leben. Und da tun wir in der Regel alles dafür.

Warum nicht auch für unsere Kälber? Wo liegt hier der Unterschied? – Wenn wir ehrlich sind, es gibt keinen… Alle Ausgaben und Aufwendungen zahlen sich später mehrfach aus! In diesem Sinne, glaubt mir: Kolostrum ist King!

Ich freue mich auf eure Meinungen und Erfahrungen dazu.

Euer Peter Zieger

    • Rudolf Grogger
    • 10. August 2020
    Antworten

    # Peter Zieger – wir kennen einander nunmehr seit 25 Jahren – ich schätze Deine Expertise auf vielen Gebieten der Rinderhaltung ausserordentlich.
    „Rinderhaltung Quo Vadis“ war der Titel Deines ersten Vortrages,den Du im Rahmen der Weyertagung gehalten hast.
    Vieles von dem was heute anerkanntes Wissen ist, hast Du damals schon vorgezeichnet.
    Ich gratuliere Dir zu Deinem innovativen Projekt Kälberblogger.de.
    Es wird vielen unserer Lieblingstiere,Kälbern & Kühen,helfen, ein gesundes Leben zu führen.
    Kollegiale Grüße
    VR Dr. Rudolf Grogger

    • Ralf
    • 14. November 2020
    Antworten

    Eine sehr informative Plattform!
    Es ist immer wieder schön sich über neuste Erkenntnisse zu informieren und auch die alten Wichtigen ,die in Vergessenheit geraten sind , wieder ins Bewusstsein zu rufen.
    Mich interessiert ob diese Aussage „Auch haben Mutterschutzimpfbetriebe generell höhere Antikörpergehalte“ nur auf den Erreger des Impfstoffes begrenzt ist ?

    Grüße vom Niederrhein
    Ralf

    • Peter Zieger
    • 20. November 2020
    Antworten

    Hallo Ralf,
    vielen Dank! Ja, die Muttertierimpfung bietet tatsächlich nur einen sehr eng begrenzten, aber effektiven Schutz gegen die in der Vakzine enthaltenen Antigene, sprich Rota/Coronaviren und E.coli. Klasse wäre natürlich wenn es einen Kryptosporidienimpfstoff gäbe, aber das ist momentan noch Wunschdenken. Gruss
    Peter

    • Jannis
    • 1. Februar 2021
    Antworten

    Moin moin,
    Meine Frage richtet sich an die Kolostrumgewinnung.
    Was sollte man vor dem ersten Melken beachten?
    Welche praktischen Maßnahmen empfehlen Sie, um den Keimgehalt in dem Kolostrum möglichst gering zu halten?

    Mit freundlichen Grüßen aus Oldenburg!

      • Peter Zieger
      • 5. Februar 2021
      Antworten

      Moin Jannis,
      Sauberkeit ist Trumpf! Das heisst mit Handschuhen und erst nach gründlicher Desinfektion Biestmilch in ein sauberes, am besten desinfiziertes Gefäss melken bzw. überführen. Gerade dieser oft dafür benutzte Melkeimer (Melkkanne) ist in vielen Untersuchungen die „Keimschleuder“ schlechthin, da sie täglich gebraucht wird, aber oft nicht mit der notwendigen Gründlichkeit hinsichtlich Hygiene bedacht wird. So bauen sich sehr schnell hohe und bedenkliche Keimkonzentrationen auf. Dies gilt es von vorneherein zu vermeiden.
      Von hier aus dann entsprechend die erste Biestmilchgabe vertränken, den Rest im Kühlschrank und in einem Gefäss mit Deckel bzw. Flasche aufbewahren zur 2ten Mahlzeit. Alles, was dann hier nicht gebraucht wird am besten in diesen Aluminium-Kolostrumbeuteln (ColostroBAG z.B.) einfrieren für die spätere Verwendung.
      Beantwortet das Ihre Frage? Beste Grüsse nach Oldenburg, Ihr Peter Zieger

        • Jürgen Plesse
        • 16. März 2021
        Antworten

        Ich würde aus praktischem Erleben noch ergänzen, dass das Reinigen der Gerätschaften NOCHMALS unmittelbar VOR der Benutzung erfolgen sollte.
        Die Reinigung nach der Benutzung ist richtig und wichtig. Stehen dann Melkgeschirr und Eimer, etc. mehrere Tage unbenutzt, siedeln sich Keime an den Oberflächen an. Die Gefahr besteht darin, dass die Gerätschaften zwar äußerlich sauber sind, aber bei der Benutzung einen hohen Keimeintrag in das Kolostrum bringen, der dann direkt in die Kälber transferiert wird. J. Plesse

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