Intensive Fütterung rechnet sich langfristig immer.

Intensive Fütterung rechnet sich langfristig immer

Kürzlich fand die von Trouw Nutrition und Förster-Technik initiierte Smart Calf Rearing Conference auf dem Hofgut Neumühle und dem Fraunhofer-Institut in Kaiserlautern statt. Rund 200 Kälberexperten aus aller Welt trafen sich zum zweiten Mal nach 2017 auf deutschem Boden zum wissenschaftlichen Erfahrungsaustausch. Schon 2019 fand eine Konferenz in Kanada an der University of Guelph statt. Auch diese Konferenz wurde von Förster-Technik und Trouw Nutrition initiiert.

Einer der zentralen Punkte dabei war die richtige Energieversorgung der Kälber bis zum Absetzen. Dabei zeichnet sich erfreulicherweise ab, dass sich die Nordamerikaner mit ihrer traditionell sehr restriktiven Kälbertränke immer mehr dem „europäischen“ Weg mit intensiver Tränke und längerer Abtränkphase annähern. Und das aus einer Reihe von guten Gründen.

Die Natur „denkt“ anders als die Rinderhalter
Was hat sich die Natur dabei gedacht? Ein Mutterkalb säuft jeden Tag bis zu 20 Liter und das bis zu 6 Monaten. Und was haben wir uns dabei gedacht, diese Laune der Natur „auszuspielen“ mit nur 4-6 Litern täglich und auch nur 7 Wochen lang bei Kälbern, die später viel Milch geben sollen und dabei auch noch lange leben? Nun, die Idee ging wegen des geringen Vollmilch bzw. Milchaustauscheraufwandes um die Welt und hat sich in den letzten 25 Jahren als die „Goldene Regel“ etabliert. Diese restriktive Fütterung vor dem Absetzen bringt sehr hochleistende Tiere hervor, nur leider, wie immer mehr neuere Studien zeigen, mit der Bürde eines zu kurzen, intensiven Lebens. Und genau das wollen europäische Landwirte, Tierärzte und Wissenschaftler nicht länger befürworten. Seit rund 10 Jahren vollzieht sich ein Umdenkprozess, der aktuell auch von nordamerikanischer Seite immer mehr Fürsprecher erfährt.

Hochinteressante Studie von Dr. Leonel Leal
Die wohl derzeit aufsehenerregendste Studie, die auf der Konferenz vorgestellt wurde, kommt aus Holland von Trouw Nutrition. Dr. Leonel Leal und sein Forscherteam begleiten ehemalige Kälber als Milchkühe in ihrer derzeit 5. Laktation.

Vor rund sieben Jahren hatte man auf einem kommerziell geführten Testbetrieb 86 Kälber in zwei Gruppen eingeteilt und mit unterschiedlicher Tränkemenge gefüttert. 43 von ihnen bekamen 4 Liter, die anderen 43 acht Liter bis zum Absetzen am 63. Lebenstag.

Nach 5 Laktationen sind bei der intensiv getränkten Gruppe noch 9 Tiere im Bestand, bei den restriktiv gefütterten 2 Drittel weniger, nämlich nur noch 3. Das sind beachtliche 6 Tiere Unterschied, die demnach viel zu früh den Weg zum Schlachter fanden.

Hochgerechnet beträgt der Unterschied im Schnitt 0,7 Laktationen mehr. Eine andere Sichtweise geht davon aus, dass die tägliche Milchleistung der intensiver getränkten Kälber um etwa 2 Liter höher liegt. Das ist ökonomisch gesehen ein Riesenunterschied, gerade wenn man die Lebenstagseffizienz betrachtet.

4 mal schnellere Heilung nach Enthornung
Ein weiteres Argument für eine intensivere Fütterung: Die Heilung nach Enthornung mit dem heissen Lötkolben schreitet etwa 4-mal schneller voran, als mit der Fütterung bei „angezogener Handbremse“. Die Natur wird sich für das Überleben schon was gedacht haben, oder? Ein gesundes Immunsystem braucht demnach viel Energie und auch Protein. Hätten die Kälber in der Natur so viele Durchfälle oder Lungenentzündungen wie in unserer modernen Milchviehhaltung, wären sie längst ausgestorben.

Das konnten wir bislang durch Antibiotika, Antiparasitika, Elektrolyte und viel Behandlungsaufwand einigermaßen kompensieren. Doch ein Hauptschlüssel in der Vermeidung solcher Kälbererkrankungen liegt in der naturnahen Fütterung, und genau deshalb sollten wir uns das hier mal „intensiver“ anschauen. Auch nicht zuletzt das schonende Absetzen erscheint in diesem Zusammenhang in ganz aktuellem Licht.

Haben Sie keine Angst vor zu großen Tränkemengen. Die Erfolge liegen oft ein Vielfaches über dem finanziellen Mehraufwand und zahlen sich langfristig immer aus, wetten?

In diesem Sinne, beste Grüsse

Euer Kälberblogger
Peter Zieger