eine frühe soziale haltung von kälbern ist vorteilhaft!
Die Kälberaufzucht ist die Grundlage der Milchviehhaltung und deshalb eine der wichtigsten Investitionen in der Milchviehhaltung. In wieweit das durch Züchtung stetig weiterentwickelte genetische Potential zur Geltung kommt, wird sowohl vor der Geburt im Uterus, als auch während der ersten Lebenswochen geprägt. Die Wachstumsleistung während der Milchphase ist hier einer der wichtigsten Messpunkte. Forschungen haben gezeigt, dass Aufzuchtkälber, die während der ersten 40 Lebenstage hohe Wachstumsraten realisieren, nicht nur äußerlich schwerer sind, sondern auch besser entwickelte innere Organe besitzen. Für das adulte Tier mündet das schließlich in einer besseren Gesundheit, größerer Resilienz und höheren Milch- und Fruchtbarkeitsleistungen. Langzeitversuche zeigen außerdem, dass diese Tiere eine deutlich höhere Nutzungsdauer realisieren können. Die Kälberaufzucht ist daher eine sehr große Chance zur Einkommensverbesserung der Milchviehbetriebe.
Um die Ziele einer modernen Kälberaufzucht zu realisieren, ist es während der ersten 5 Lebenswochen nötig Milch bzw. MAT-Tränke nach dem Vorbild der Natur, den ganzen Tag mit einer Temperatur von 39°C zur freien Verfügung anzubieten. Der Bedarf der Kälber kann nur durch automatisierte Tränkeverfahren mit vertretbarem Arbeitsaufwand gedeckt werden. Das Angebot von Milch in angesäuerten Vorratstränken schöpft nicht das vollständige Potential der Kälber aus, auch wenn es einen Fortschritt im Vergleich zur 2-mal täglichen, limitierten Fütterung bedeutet.
Während der letzten Jahre ist neben der Ernährung auch das Sozialverhalten der Kälber in den Fokus der Forschung gerückt. Dabei wurde die Einzelhaltung mit der paarweisen bzw. der frühen Aufzucht in Gruppen verglichen. Es wurde gezeigt, dass die frühe Sozialisierung von Vorteil für die Entwicklung der Kälber ist. Sozial gehaltene Kälber saufen häufiger am Nuckel (Suchon et al., 2023), zeigen eine höhere Festfutteraufnahme vor dem Absetzen und realisieren höhere Tageszunahmen sowohl vor als auch nach dem Absetzen (Costa et al., 2016).
Des Weiteren prägen sozial gehaltene Kälber höhere Lern- und Anpassungsfähigkeit an neue Situationen aus. Letzteres reduziert beispielsweise den Stress, den Tiere bei Gruppen-/Ortswechseln erleben. Es ist bekannt, dass diese Tiere sich auch als adulte Kühe leichter an neue Umstände anpassen können. Dazu gehört zum Beispiel das Erlernen des Melkprozesses durch die Jungkühe.
Als Einwand für eine frühe paarweise Aufzucht wird oft die Befürchtung einer höheren Erkrankungsrate angeführt. Die Forschung hat aber keinen eindeutigen Beleg dafür gefunden, dass eine soziale Haltung von Kälbern grundsätzlich zu einer höheren Erkrankungsrate führt. Vielmehr wird der Gesundheitsstatus von Kälbern durch die Kolostrumversorgung und die anschließende Milchfütterung, durch die Hygiene, durch Umweltfaktoren, wie insbesondere die Luftqualität bestimmt. Wenn diese Faktoren auf einem hohen Niveau von guter fachlicher Praxis realisiert werden, können Kälber sehr früh paarweise bzw. in Gruppen gehalten werden.
Für die frühe paarweise Haltung bzw. die frühe Haltung von Kälbern in Kleinstgruppen bis zu 6 Kälbern gelten somit nach heutigem Erkenntnisstand die folgenden Vorbedingungen:
- grundsätzlich gelten alle gesetzlichen Vorgaben (Platzbedarf, Haltung, Fütterung etc.) der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV)
- der Altersunterschied sollte nicht größer als 6 Tage sein
- gleichzeitig sollte die Anzahl der Kälber in einer Gruppe 6 Kälber nicht überschreiten
- die Kälber sollten in einer hygienisch reinen und keimarmen Umgebung gehalten werden
- während der ersten 2 Lebenswochen sollte eine sehr gute Kälberbetreuung sichergestellt sein
- um die frühe soziale Aufzucht von Kälbern mit einem vertretbaren Arbeitsaufwand zu realisieren zu können, bedarf es einer automatisierten Fütterung
- Sensorsysteme zur Verhaltens- und Aktivitätsmessung sind ein sehr nützliches Hilfsmittel zum täglichen Gesundheitsmonitoring
Unter diesen Voraussetzungen können die Vorteile der frühen sozialen Kälberhaltung ausgeschöpft werden: ein strukturell besseres Wachstum, das in einer höheren Leistungsfähigkeit, besseren Gesundheit und in einer längeren Nutzungsdauer mündet.
Neben der vorteilhaften Verhaltensprägung und physiologischen Effekten haben die paarweise und Kleingruppenhaltung mit automatisierter Tränkeverabreichung erhebliche ökonomische Potentiale. Diese finden sich sowohl im erforderlichen Investment, als auch bezüglich des Arbeitsaufwandes für die laufende Bewirtschaftung.
Mit der frühen Gruppenhaltung sinkt der Bedarf an Plätzen in der Einzel-/Paarhaltung. Diese sind im Verhältnis zu Tierplätzen in der Gruppenhaltung sowohl bezüglich Investition, als auch Bewirtschaftungsaufwand deutlich kostenintensiver.
Die Umstellung von manueller bzw. mechanisierter auf automatische Fütterung trägt zur erheblichen Einsparung an Arbeitszeitaufwand bei. (Weiß, 2015; Platen, 2018)
Bereits bei 2 Fütterungen/Tag ergibt sich ein Einsparpotential von 75% (Beyersdorfer, 2004). Mehr Fütterungen sind zwar physiologisch angeraten, aber arbeitswirtschaftlich mit mechanischen Mitteln nicht realisierbar. Mit der automatisierten Fütterung (Tränkautomat/CalfRail) bleibt der Aufwand mit steigender Anzahl Fütterungen nahezu unverändert.
Jürgen Plesse & Johannes Kordesee
Quellenangaben und weiterführende Literatur:
Costa, von Keyserlingk & Weary; 2016, JDS, Invited review: Effects of group housing of dairy calves on behavior, cognition, performance, and health (DOI: https://doi.org/10.3168/jds.2015-10144)
Suchon et al., 2023, JDS Communications, Social housing improves dairy calves‘ performance in a competition test (DOI: https://doi.org/10.3168/jdsc.2023-0378)
A. Knauer, S. M. Godden, K. Rendahl, M. I. Endres and B. A. Crooker;
J. Dairy Sci. 104:3495–3507 (https://doi.org/10.3168/jds.2020-18928)
The effect of individual versus pair housing of dairy heifer calves during the preweaning period on measures of health, performance, and behavior up to 16 weeks of age
Platen, V. Paul, N. Tall
DGfZ Schriftenreihe 76/2018
Precision Dairy Farming in der Aufzucht – Ergebnisse aus Brandenburger Praxisbetrieben
Weiß
Hochschule Weihenstephan – Triesdorf, 2015
Vergleich von manueller, mechanisierter und automatisierter Fütterung von Trankkälbern in Einzelhaltung in Bezug auf Arbeitszeitaufwand