Die 1000 kg Wette oder: Was haben Autobauer mit Kuhbauern gemeinsam?

Deutschland ist ein Land, auf welches der Rest der Welt mit Respekt und Hochachtung geblickt hat. Made in Germany war der Inbegriff für Tugenden wie preussische Genauigkeit, Strebsamkeit, Erfindungsreichtum und Technologieführerschaft. Leider gehört das scheinbar nun alles der Vergangenheit an. Mir liegt es fern den Berufspessimisten zu spielen, aber ich finde es schon erschreckend, wieviel auf breiter Front bei uns nicht mehr so gut funktioniert wie vor gar nicht allzulanger Zeit.

Deutschland ist ein Land, auf welches der Rest der Welt mit Respekt und Hochachtung geblickt hat. Made in Germany war der Inbegriff für Tugenden wie preussische Genauigkeit, Strebsamkeit, Erfindungsreichtum und Technologieführerschaft. Leider gehört das scheinbar nun alles der Vergangenheit an. Mir liegt es fern den Berufspessimisten zu spielen, aber ich finde es schon erschreckend, wieviel auf breiter Front bei uns nicht mehr so gut funktioniert wie vor gar nicht allzulanger Zeit.

Gepostet von in Kälberaufzucht, Kälbergesundheit am 23. Dezember 2025
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Die 1000 kg Wette oder was haben Autobauer mit Kuhbauern gemeinsam?

Deutschland ist ein Land, auf welches der Rest der Welt mit Respekt und Hochachtung geblickt hat. Made in Germany war der Inbegriff für Tugenden wie preussische Genauigkeit, Strebsamkeit, Erfindungsreichtum und Technologieführerschaft. Leider gehört das scheinbar nun alles der Vergangenheit an. Mir liegt es fern den Berufspessimisten zu spielen, aber ich finde es schon erschreckend, wieviel auf breiter Front bei uns nicht mehr so gut funktioniert wie vor gar nicht allzulanger Zeit.

Sinnbildlich für den wirtschaftlichen Abschwung steht unsere Automobilindustrie. Einst die modernste der Welt und Rückgrat einer ganzen Republik, hat sie die Entwicklung hin zur Elektromobilität nicht ernstgenommen, aufs falsche Pferd (Anm. d. Red.: „Verbrenner“) gesetzt und damit den Anschluss an die Weltspitze, vorrangig an die Chinesen, schlichtweg verschlafen.

Anschluss verpasst?

Leider, und das tut mir in der Seele weh, beobachte ich eine ähnliche Entwicklung im Kälberbereich und damit in der effizienten Milchproduktion.

Auch hier haben wir uns blenden lassen von jährlich soliden Zuwachszahlen hinsichtlich der Milchleistungssteigerung: „Wenn es so läuft, machen wir doch alles richtig?“ – Der Schein trügt aber: Wir haben in der Fläche nach wie vor zu hohe Krankheitszahlen bei den Kälbern und zu hohe Abgangsraten bei den Kühen bzw. zu hohe Remontierungsraten. Der gemeinsame Nenner dieser Stagnation liegt in der  Kinderstube und vorallen Dingen in der Tränkephase unserer Kälber. Die Zahlen aus der PraeRi Studie von 2020 belegen unsere Hauptprobleme dort in erschreckend deutlicher Weise:

27% der Kälber benötigen ein Antibiotikum bis zum Absetzen, rund jedes vierte Kalb hat eine chronischen Lungenschaden und sage und schreibe 34,5% der Kälber weisen in den ersten 3 Wochen eine schmerzhafte Nabelentzündung auf. Damit aber leider noch nicht genug: Mit nur knapp über 3 Liter Kolostrum pro neugeborenem Kalb erlauben wir uns den „Luxus“ nur gerade mal gut der Hälfte der so versorgten Kälber eine echte Überlebensgarantie zu geben (Grenzwert im Blutserum in der ersten Lebenswoche von mehr als 55 g/Liter). Ganze 27% schaffen diesen Wert nicht – und – welch ein  Zufall- deckt sich dieser Wert exakt mit den Antibiotikaaufwendungen….- ist doch komisch, oder? Aber das Scheitern dieses Grenzwertes hat darüber noch weitreichende, langwierige ökonomisch bedeutend negative Folgen. Warum?

Kolostrummangelgebiet

Nach neuesten Untersuchungen verlieren solche Kälber, wenn sie denn überleben, in den ersten drei Laktationen 2300 kg Milch und das sind bei uns fast 30% der weiblichen angehenden Milchmädels.  Und wir reden in diesem Aspekt nur über  den Einfluss der Kolostrumversorgung.

 

Abbildung 1: Erfolgreicher Übergang passiver Immunität (McFarland et al., 2024)

Wie exakt diese Studie die Realität abbildet hat eine andere Untersuchung aus Kanada in eindrucksvoller und sehr überzeugender Weise nun bestätigt. Die Unversität Manitoba hat 1658 Betriebe unter die Lupe genommen und festgestellt, dass zwischen der Verabreichung von 1 bis 4 Liter Kolostrum pro Kalb knapp 1000 kg Milch Mehrleistung in der ersten Laktation lagen. Ich versteife mich mal zu dieser, zugegebenermaßen gewagten, aber doch nachvollziehbaren Äußerung, dass Kolostrum der „goldene“ Bitcoin der Milchproduktion ist. Unterstellt man den zeitlichen Mehraufwand von vielleicht 5 Minuten bei der Verabreichung von 2 Litern mehr Kolostrum (5 statt 3 Litern, aufgeteilt in zwei Gaben, 6-12 h Abstand), erhält man im Gegenzug eine – ja fast schon garantierte – Mehrleistung von knapp 1000 kg. Was für eine effiziente Investition. Kennen Sie was Besseres im Rinderbereich?

Genau dieses Kolostrummanagement empfiehlt eine amerikanische Studie von der Universität Illinois. Dort stellte man außerdem fest, dass die 5 Liter Kolostrum im Vergleich zu lediglich 3 Liter zu 66% weniger Durchfall, 40% weniger Lungenentzündungen und einer Halbierung der Failure of passive Transfer-Rate führte. Die Kälber nahmen 130g täglich mehr zu und wurden mit 0,4 Portionen eher tragend. Was für ein wertvoller Mehrwert.

Nur, warum, und das ist die entscheidende Frage: Warum setzen wir als deutsche Landwirte das nicht in die Praxis um?

Während in China (dem absoluten Durchstarter trotz fehlender Milchtradition) die Kälber 4 und 2 Liter Kolostrum in den ersten 8 Lebensstunden bekommen und nur 1-4% die Kälber den für die Überlebensgarantie entscheidenden Blutserumwert von 55g/l Totalprotein (bzw. mehr als 10g/l IgG) nicht erzielen (bei uns sind es ja die bekannten 27%), halten wir an der fast schon jahrhundertelangen Tradition der „soften“ Kolostrumgabe fest. Auch das Verständnis von Biestmilch hat sich seitdem so gut wie nicht gewandelt: Während die „Durchstarter“ in diesem Zusammenhang von  Programmierung auf Hochleistung sprechen, reduzieren wir hartnäckig das Kolostrum  einzig und allein auf seine immunsystemstärkende Funktion und wir meinen damit nur die Antikörper. Wir ignorieren die Tatsache, dass von den 400 bekannten Inhaltsstoffen, ganz viele in der Tat eine metabolische Programmierung bewirken können. Und je mehr wir davon ins Blut des Kalbes überführen können, desto mehr fällt dieser Effekt aus. Die Studie, die vor genau 20 Jahren den berühmten „Stein“ ins Rollen brachte, zeigte damals wie sich 2 Liter mehr Biestmilch (4 statt 2 Liter) auf die Milchleistung auswirken können: Sage und schreibe 1800 kg mehr produzierten die mit 4 Liter versorgten Kälber in den ersten beiden Laktationen. Dies markierte den Startschuss für eine ganze Reihe Biestmilchversuche und Studien mit intensiver Kälbertränke. Fakt ist heute, dass wenn man heute mittels intensiver Tränke Kälber aufzieht, pro Gramm höherer Tageszunahme etwa 2 Liter mehr Milch in der ersten Laktation erwarten kann. Neben der Biestmilchgabe ein zweiter großer Hebel im Sinne der metabolischen Programmierung und hin zu einer effizienteren Milchproduktion.

Fazit

 Kolostrum ist noch immer für viele ein Mysterium. Wir wissen alle, dass ohne diese erste Milch nach der Kalbung ein Kalb keine Überlebenschance hat, wir ignorieren aber beharrlich die Tatsache, dass die Biestmilch weit mehr ist als eine reine Lebensversicherung: Sie ist der Algorithmus für eine stabilere Gesundheit, Hochleistung und Langlebigkeit und damit eine Erfolgsformel für jeden Milchproduzenten schlechthin. Die Frage ist allerdings: Wann setzen wir das endlich in die Praxis um?

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