Wachstumspotentiale bei Kälbern einordnen

In keiner anderen Lebensphase wachsen Kälber so effizient wie in den ersten Lebenswochen. Der Artikel zeigt, warum gerade die Saugphase entscheidend für Gesundheit, Milchleistung und Fruchtbarkeit ist – und wie gezieltes Fütterungsmanagement langfristig die Herdenleistung beeinflusst.

In keiner anderen Lebensphase wachsen Kälber so effizient wie in den ersten Lebenswochen. Der Artikel zeigt, warum gerade die Saugphase entscheidend für Gesundheit, Milchleistung und Fruchtbarkeit ist – und wie gezieltes Fütterungsmanagement langfristig die Herdenleistung beeinflusst.

Gepostet von in Kälberaufzucht, Kälbergesundheit am 23. Juli 2025
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Wachstumspotentiale bei Kälbern einordnen

In keiner anderen Lebensphase wachsen die Kälber so energieeffizient wie in der Saugphase.
Abbildung 1: Körpergewichts- und -größenentwicklung bei Holstein Friesian Färsen (Garcia, 2025)

Obwohl Milch und Kälbermüsli/-TMR mit zu den teuersten Futtermitteln zählen, erlauben diese den mit Abstand größten Körpermassegewinn. Für jedes Kilo Gewichtszunahme brauchen Kälber in den ersten Monaten nur 2-2,5 kg Trockenmasseaufnahme. Die Feed Conversion Rate, also die Futterumwandlungsrate beträgt 2:1 bis 2,5:1 und bedeutet eine fast 50 % Futtereffizienz. Diese übertrifft bei weitem die Raten in den folgenden Lebensabschnitten bei Färsen: Nach dem Absetzen bis zu einem halben Jahr sinkt die Futtereffizienz auf 3-4:1, ab 6 Monaten bis zum ersten Lebensjahr auf 4:1 und auf 6-7:1 im zweiten Jahr.

Ökonomisch betrachtet heißt das, dass die Tageszunahmen dann im weiteren Verlauf nach der Tränkephase relativ teurer werden als zu Beginn. Das bedeutet umgekehrt, dass man deshalb diese wenigen ersten Lebenswochen noch intensiver für die Gewichtsentwicklung nutzen und nicht zu früh mit Kuh-TMR oder Silagen die Kälber füttern sollte, da der Pansen hierfür noch nicht fertig entwickelt ist.

Wissenschaftler der Universität Cornell hatten bereits vor fast 15 Jahren herausgefunden, dass mit jedem Gramm höherer Tageszunahmen in der Saugphase 2 Liter mehr in der ersten Laktation zu erwarten sind. Diese Erfolgsformel wurde seitdem mehr als 20 x in weiteren Studien weltweit bestätigt. Der Begriff metabolische Programmierung macht seitdem die Runde und bezeichnet den Einfluss der Epigenetik auf die spätere Leistungsentwicklung. Oder anders ausgedrückt: Durch ein optimales Kolostrum-Management und ein intensives Tränkeregime kann man im neugeborenen Kalb in den ersten 5-7 Lebenswochen unter anderem eine erhöhte Zellteilungsrate erreichen. Ab der 8. Woche kommt es zu einem Shift des Wachstumsmechanismus, und dann wachsen die angelegten Zellen maßgeblich nur noch in der Größe. Diese Dynamik hat insbesondere für die weitere Entwicklung, die allgemeine Abwehrlage, das Leistungsvermögen und die Langlebigkeit einen enormen Einfluss. So werden zum Beispiel viel mehr Euterdrüsenzellen angelegt, die dann in der Laktation die höhere Milchleistung möglich machen. Aber auch alle anderen Organe profitieren von der intensiven Tränkephase: So konnten Wissenschaftler von der Hochschule Bingen, der Uni Gießen und vom Hofgut Neumühle nachweisen, dass eine intensive Aufzucht den Dünndarm beim Kalb um bis zu 3 m länger wachsen lässt.

Umgekehrt muss aber insbesondere im zweiten Lebensjahr darauf geachtet werden, eine Verfettung zu verhindern. Die täglichen Zunahmen sollten hier nur rund 800 g betragen. Gelingt dies nicht, drohen Abkalbe- und Folgeprobleme, die das Abgangsrisiko enorm heraufbeschwören.

Tabelle 1: Wachstumsepisoden von Färsen bis zur Kalbung (Garcia, 2025)

Werden diese Ziele in etwa verfolgt und beachtet, können und sollten die Färsen mit 13-15 Monaten besamt werden können und auch komplikationslos tragend werden, so dass sie zwischen 22 und 24 Monaten zur Abkalbung kommen (gilt insbesondere für Holstein-Friesian!).

Kälber selbst sollten ihr Geburtsgewicht in den ersten 60 Lebenstagen verdoppeln und bis zum Absetzen im Idealfall sogar verdreifachen.  Eine typische Holstein-Färse wird mit einem Gewicht von 39-43 kg geboren und sollte mit zwei Monaten ein Gewicht von 77-86 kg erreichen, wenn sie mit Qualitätsmilch und Starterfutter versorgt wird. Ein Unterschreiten dieses Richtwerts deutet auf Ernährungs- oder Gesundheitsprobleme hin.

Kälberaufzucht ist also der erste wichtige Schritt zur strategischen Herdenentwicklung. Bereits hier ist es sinnvoll an den Zielen zu arbeiten, denn diese beeinflussen maßgeblich die Milchleistung. Nach neuesten Erkenntnissen sollten Färsen mit etwa 55 % ihres späteren Erwachsenengewichts besamt werden und mit rund 82-85 % dann zur Kalbung (Kalb rausgerechnet!)  kommen. Das heißt umgekehrt, dass sie bei rund 92-95 % bezogen auf das Erwachsenengewichts inklusive des Fetus zur Abkalbung kommen.

Das hat den Vorteil, dass diese Färsen in ihrer ersten Laktation nur noch wenig Energie zum eigenen Wachstum aufbringen müssen und relativ mehr Energie zur Milchbildung zur Verfügung haben.

Zugrunde liegt dieser Empfehlung, dass Färsen ihre Geschlechtsreife mit 45-50% des späteren Erwachsenengewichtes erreichen. Besamungen zur dritten Brunst nach Eintritt der Pubertät verbessern im Allgemeinen die Fruchtbarkeit und minimieren so das Risiko von Überkonditionierung bei schlechter Konzeptionsneigung. Das angenommene Erwachsenengewicht bezieht sich jeweils auf Kühe in der Mitte der dritten Laktation und bei einem BCS-Score von 3,0.

Diese Zahlen stammen unter anderem aus Auswertungen an über 400.000 Färsen in Kalifornien.

Tabelle 2: „Meilensteine“ einer retrograden Gewichtsentwicklung zur Festlegung des optimalen Besamungszeitpunkts (Garcia, 2025)

Fazit:

Eine Herde hat ein ganz individuelles Erwachsenengewicht bei den Kühen. Danach sollte sich das Fütterungs-, Aufzucht- und Besamungsmanagement anpassen. Denn ein Abkalbegewicht, das nur noch rund 5 % vom durchschnittlichen Erwachsenengewicht entfernt ist, gewährleistet einen hohen Reifegrad bis zur Abkalbung, sorgt für die geringste Rate an Geburtsproblemen und bietet in der Folgelaktation die Aussicht auf die höchsten, gesunden Milchleistungen.

Oder kurz gesagt: Erfolg ist planbar! Let’s do it!

Herzlichst,

Euer Kälberblogger

 

Literatur

García, Alvaro. 2025. “Investing in Calf Growth Pays Off: How Early-Life Gains Predict Lifetime Milk Production.” Dellait Animal Nutrition & Health. Dellait. Accessed June 2025.

Staley, Gavin, 2022. „Why heifer maturity matters“, Balchem Webinar, Jan. 2022.

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