Der Kälberstall-Neubau bereitet vielen Landwirten Sorgen – zurecht! Während Kuhställe längst optimiert sind, bleiben Kälber oft krankheitsanfällig. Warum Kälberhaltung eigene Lösungen braucht und worauf es beim modernen Stallbau wirklich ankommt.

Die große Angst vorm Kälberstall-Neubau…ein reales Phänomen!
Kuhställe bauen ist in der Tat keine große Kunst mehr, auch wenn dennoch immer noch zu viele vermeidbare Fehler gemacht werden. Aber grundsätzlich hat sich ein Grundwissen und –erfahrung etabliert, die sich auch jeder noch so fachfremde Architekt recht einfach und schnell zu eigen machen kann. Das geflügelte Wort vom „Cow Comfort“ hat um die Jahrtausendwende zu einer grundsätzlichen Kehrtwende im Verständnis von den wahren Bedürfnissen unserer modernen Hochleistungskühen geführt. Hielten wir vorher, seit Ende der 1970er Jahre die Kühe zwar schon in Laufställen, aber es war uns bis dahin nicht bewusst, dass die Geometrie und der wahre Liegekomfort der Liegebox von grundlegender Bedeutung als „echter Arbeitsplatz“ der Kuh anzusehen sind.
Auch die mit der Milchleistungssteigerung einhergehenden Anforderungen an mehr Luft und Licht führten zum Siegeszug von Curtains oder Windschutznetzen. Sehr oft wurden sogar ganze Wände an der Traufseite herausgebrochen und der Stall zum Freiluftexperiment umgestaltet. Mit meist erstaunlichen Erfolgen von nicht selten 1000 und 2000 kg mehr Milch pro Kuh und Jahr.
Zu empfindliche Kälber
Bei den Kälbern sind solche Erfolge bei der Optimierung der Haltungsbedingungen aber erst in 2,5 bis 3 Jahren zu sehen. Und genau hier liegt einer der Gründe dafür, warum wir immer noch viel zu selten den wahren Einfluss von optimaler Haltung, Fütterung und Tiergesundheit nachvollziehen können. Wir messen auch viel zu selten die Tageszunahmen, checken viel zu selten die Biestmilchqualität und messen so gut wie überhaupt nicht den Erfolg des Übergangs der passiven Immunität vom Kolostrum ins Blut. Und so bleiben unsere Kälber auch weiter hinter ihren möglichen Potentialen zurück….
Wir akzeptieren, dass zu viele Kälber husten und dass rund jedes vierte Kalb mit einem bleibenden Lungenschaden in die erste Laktation startet. Sie meinen ich übertreibe? Bei Leibe leider nicht: Gerade jetzt erst im Januar dieses Jahres wurde in einer englischen Studie nachgewiesen, dass fast 29% der Kälber bis zum Abtränken bei Lungenultraschalluntersuchungen bleibende Lungenschäden aufwiesen. Und was haben belgische Wissenschaftler vor 2 Jahren herausgefunden? – Husten ist mit einer Wahrscheinlichkeit von 63% schon eine Lungenentzündung!
Was hat das alles mit Stallbau zu tun, werden Sie sicher nun erstmal erstaunt fragen? Verdammt viel! Denn, derzeit sind unsere so aufgezogenen Kälber (PS: Immer noch 2 von 3 Kälbern werden restriktiv gefüttert!) nur mit einem suboptimal funktionierenden Immunsystem unterwegs, weil wir leider in Summe auch zu wenig Kolostrum verabreichen und die tägliche Energie gerade so für Erhaltung und etwas Wachstum ausreicht, aber nicht für einen dringend benötigten „Airbag“ gegen Durchfall-, Nabel- und Lungenentzündungserreger. Das ist wahrscheinlich mit die größte Schwachstelle bei Kälberneu- oder –umbauten generell. Denn solche Kälber sind um ein Vielfaches empfindlicher als von Anfang an robust aufgezogene Kälber.
Aber ein Kuhstall kann nie und nimmer ein guter Kälberstall sein, weil Kühe durch ihre imposante Widerkauertätigkeit einen permanenten Wärmepuffer um sich herum aufbauen und 10 x fach höhere Windgeschwindigkeiten im Vergleich zu Kälbern problemlos tolerieren. Kälber kühlen schon bei Zugluft von mehr als 0,3 m/s auf Dauer aus und werden zwangsläufig krank. Ställe, die diesen Umständen keine Rechnung tragen, schaden Kälbern mehr, als sie nutzen. So beziffert mein Klimaexperten-Kollege Ing. Eduard Zentner von der HBLFA Raumberg-Gumpenstein in Österreich den Anteil von mangelhaften Kälberstallneubauten dort um 80%. Das ist schockierend. Ich bezweifele aber ehrlich gesagt, dass wir hier in Deutschland tatsächlich viel besser sind?
Ich kann heute umso mehr Landwirte verstehen, die zu mir kommen und sagen, dass sie eine immense Angst haben, viel Geld in einen neuen Kälberstall zu investieren, um dann feststellen zu müssen, dass sie mit dem Ergebnis nicht zufrieden sind: Die echte Angst vorm Kälberstall-Neubau!
Heute weiß ich, im Frühherbst meines beruflichen Schaffens angekommen, worauf es wirklich ankommt beim Stallbau für Kälber. Das alles hätte ich vor 15 Jahren noch nicht gewusst und man lernt immer noch nicht aus. Gerade der H-Stall von meiner Tierärzte-Kollegin Dr. Lisa Köhler hat erst kürzlich wieder meine Erfahrung um wichtige Punkte bereichert, um Wissen, dass ich gerne weitergebe. Im Prinzip geht es um viel mehr Platz als wir früher annahmen, mehr Licht und eine permanente, aber zugfreie Lüftung und um das Wichtigste generell: Einen gesegneten Appetit a la Mutter Natur. Kälber liegen mir einfach am Herzen!
Euer Kälberblogger
Peter Zieger